KIRCHHOFF

* Wir freuen uns Ihnen Martin Kirchhoff vorzustellen.

Martin Kirchhoff

Baden-Württembergischer Literaturpreisträger 


Herrn Kirchhoffs Lesungen waren in der Galerie Ost immer gut besucht. 

Herr Kirchhoff lebt für seine Stücke und geht darin völlig auf, dies durfte das Publikum schon 2007 I 2008 I 2009 
erleben - begeistert kann er auf ein Leben seiner schriftstellerischer Art zurückblicken - wir wünschen Ihm 
noch viele weitere gesunde Stunden um seine Bücher für die Welt zu schreiben. 
 


Vita Martin Kirchhoff
Geboren um zu leben - in Leonberg - in der Welt, gehen, lernen, kennenleren, verstehen. Nicht superlativ, die Luft sehen, das Nichts sehe, erkennen, was es ist bzw. sein kann, in diesem Augenblick, im anderen Augenblicken, später dann ... leben um geboren zu werden. 


Filme

Verfilmung des Prosa(hör)textes "Leben. Oberflächige Betrachtung in der Osterholzallee in Ludwigsburg" von Albert Beckmann (Mainz), Januar 2003


Rundfunkbeiträge

ab Dezember 2004 jeden 1. Sonntag des Monats Radio Sthörfunk, Schwäbisch Hall

ab November 2004 jeden 4. Sonntag des Monats Freies Radio für Stuttgart, Stuttgart

Radio Wüste Welle, Tübingen Januar 1999
Schreibt

Lyrik
Kurzgeschichten
Satiren
Romane

GLZ, Literarischer Gesprächskreis Ludwigsburg e.V., Libus e.V. Berlin, Förderkreis deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg

Freitext
Literaturtelefon Stuttgart 

Herausgeber/Mitherausgeber
Einblick, Literaturzeitschrift, Verlag Autorengruppe, Stuttgart 

Erstling
Neumondnacht und Augenblick, Gedichte, Kurzgeschichten, The World of Books Ltd., London/Worms 1989
Galerie Ost - Martin Kirchhof - Sbaiglio - Mancini Olivenöl - Kunstgemälde - KERAMIK - sommeratelier - repro - kunst

                                                 Preisgekrönt

Auszeichnung

Kreissieger Landkreis Böblingen beim Landeslyrikpreis Baden-Württemberg 

1999 Kurzgeschichte 
2001 Kurzgeschichtenpreis Verlag Bench Press, Grabenstetten
2001  Poet 
2004  The International Poetry Translation and Research Centre, Chongquin, China

Bücher von Martin Kirchhof

Galerie Ost - Martin Kirchhof - Sbaiglio - Mancini Olivenöl - Kunstgemälde - KERAMIK - sommeratelier - repro - kunst
In Kirchhoffs Erzählungen begegnen wir Menschen, die sich nicht damit abfinden, wie ihnen mitgespielt wird! Sie stellen sich ihrem zugedachten Schicksal, entfalten eine spontane Gegenwehr und erobern sich ein ganz persönliches Stück neuer Freiheit zurück. Manchmal ist es ein schmerzhafter Prozess, der durchlaufen werden muss. Auch wo der Erzähler ins Phantastische abschweift, sich den Motiven des klassischen Märchens bedient, ist die kraftvoll dargestellte Wirklichkeit nicht weit — er vergisst nie die gesellschaftlichen Realitäten. Kirchhoffs Protagonisten haben persönliche Geschichten, eine politische Haltung, Sehnsüchte und individuelle Macken. Und wo er einen Grund sieht, kann der Autor auch sehr sehr böse werden.
Der Felsenlacher
Galerie Ost - Martin Kirchhof - Sbaiglio - Mancini Olivenöl - Kunstgemälde - KERAMIK - sommeratelier - repro - kunst
MARTIN KIRCHHOFF, ein unermüdlicher Dichter, Buch um Buch – Veröffentlichung um Veröffentlichung – Preis um Preis. 

Wo die Hölderlinstraße sich befindet, wissen einige, will man seine Veröffentlichungen weltweit verfolgen, braucht man den Atlas.

Martin Kirchhoff schreibt zeitgenössische Beobachtungen –
Beschreibungen – Konklusionen. Seine Gedichte gehen tief,
wobei die Sprache offen und verständlich bleibt und er nimmt
voller Interesse jedes Ereignis wahr, greift es auf und setzt es um.

Seine Reisen sind Arbeit, Aktivurlaub. 

Der Leser erfährt etwas von der Welt, wie sie ein nachdenklicher Mensch sieht, seine Gedichte reißen Bezirke auf, gehen auf die Hintergründe ein, beleuchten Probleme, direkt und mit gesundem Humor.

Reisen in die Außenwelt und die Innenwelt mit Gedichten, 
vielfältig, es lohnt sich, sich darauf einzulassen.
Jenseits der Wege



Martin Kirchhoff: Zwei Kurzprosa-Texte

Langsam lasse ich mich auf dem braunen Steinblock nieder und warte ab. Endlich rattert der grüne Zug über die Brücke, dann scheint er sich im Grün des Dammes aufzulösen, bevor er verschwindet. Eine schwarze Wolke, die der Wind über das Land meerwärts treibt, verschluckt die Sonne. Noch schaue ich dem Zug nach, mein Blick gleitet suchend über die Grasfläche, die der Wind mit seinen salzigen Fingern durchkämmt. Tief Luft einziehend springe ich auf, strecke meinen Körper, trete dann vor an den Rand. Angekommen, zögere ich. Sand rieselt abwärts zum Strand, der sich dem Meer zuwellt, bis die Wasserwellen ihn verschlucken. Endlich springe ich lachend hinab.
Über dem Meer gleitende Möwen ziehen meine Aufmerksamkeit auf einen grauen Stein im Wasser, auf dem ein Kormoran beide Flügel spreizt. Jesus auf einer Insel vor einer Insel, kommt mir in den Sinn. Up, up, ruft ein Mann seinem Schäferhund nach, der Sand aufwirbelnd davonrennt, vorbei an zwei Frauen, die in ihrem Gespräch vertieft unbeirrt weitergehen. Regen prasselt nieder, die Luft riecht schwer, leichter Dampf steigt vom Sand empor. Noch auf dem Stein, mit angelegten Schwingen, erweckt der wieder zum Vogel gewordene Kormoran keine Sinnbilder in mir. So bleibe ich hängen auf einem Punkt eines weiten Strandes. Ich genieße die Regentropfen. Grenzstreifen zwischen Land und Atlantik. Zwei Welten einer Welt. Eine junge Frau nähert sich. Sie bückt sich, nimmt eine Muschel auf, gleich die nächste. Die schwarzen Wolken ziehen weiter zum Meer hinaus. Im hohen Bogen wirft die Frau eine der Muscheln von sich, den Wellen zu. Am Horizont ist ein Schiff sichtbar. Es scheint sich nicht zu bewegen, steht kurz im Kontrast zur Frau, die mit schräg geneigtem Haupt meerwärts strebt. Plötzlich bückt sie sich erneut und nimmt die nächste Muschel auf, während die Wellen ihre Füße umspülen. Mit hohem Satz hüpft sie rückwärts in die abziehenden Wellen. Rasch streicht sie sich mit der linken Hand über ihre Stirn. Das Schiff klebt noch am Horizont, weit im Norden erheben sich die Berge. Zwischen ihnen und mir ist ein roter Leuchtturm. Der rennende Schäferhund schiebt sich in mein Gesichtsfeld, vor dem Leuchtturm, eine Frau wirft Muscheln hoch, die sie auffängt, schnell und schneller, zwei Frauen reden aufeinander ein, die Berge schieben sich ins Meer.
Hier werde ich bleiben. Auf dieser Stelle werde ich das Meer erwarten. Der Kormoran ist verschwunden; irgendwo über dem Meer unterwegs, das sich nähert, mir zuwellt, das kommt. Möwen kreischen im Gleitflug, die Berge schwimmen zum Schiff, das sie erwartet. Kommkomm, verstehe ich die Möwen, strecke meine Arme aus und bleibe stehen. Kommkomm, denke ich, wartend, erwartend, kommkomm, singt die Muscheljongleurin in der Ferne, neben dem Leuchtturm, der mit seinen scharf gebündelten Lichtstrahlen dem Wasser des Boyne den Weg zum Meer weist. Hinter mir verschwimmt die Sonne im Westen im Atlantik. Dazwischen das Inselland. Stärker rieche ich den Tang, das Parfüm des Meeres, näher züngeln die Wellen heran, nehmen das Grenzland auf. Ob ich über das Wasser gehen kann, weiß ich nicht. Bald werden die Wellen bei mir und ich nicht mehr allein sein.
Das Sonnenlicht bricht durch die dunklen, aufgebauschten Wolken, der Wind spielt in meinem Haar. Kein Kormoran sitzt auf dem Stein und ich gehe ein wenig enttäuscht weiter. Zwei Frauen wandeln schweigend dem Leuchtturm zu. Meine Augen folgen ihnen, bis sie unerwartet an einem Stein im Wasser hängen bleiben, der gestern nicht dort war, auf dem mit gespreizten Flügeln ein Kormoran steht. Die Berge sind, wo sie waren und hingehören. Das Schiff machte zwei Frachtern Platz. Dann entdecke ich auf dem Stein hinter dem Kormoran eine Muschel. Vielleicht kommt sie wieder vorbei, denke ich, kommkomm, Muschelfrau und betrachte den Kormoran, der sich auf den Stein setzte, als warte er. Kommkomm, flüstern die Wellen, kommkomm, denke ich und weiß, ich werde warten.
Nachts spüre ich die Wellen, die mich umspielen. Aus dem Nichts der Dunkelheit erscheint leise singend die Muschelfrau. Sie streckt sich, lässt sich dann auf mir nieder. Kommkomm, scheint sie zu singen, ich bin da, ein gelbbrauner, mit ein paar weißen Adern durchzogener Stein. ■





Eigentlich könnten wir glücklich sein…

Wieder in der S-Bahn unterwegs zur Arbeit. Tägliche Tretmühle. Zweygarth betrachtet Sonja, die mal wieder ihm gegenüber sitzt. Ihr Kiefer bewegt sich monoton, wie immer nach einem Streit. Diesmal war es die Marmelade, die ihre Gemüter erhitzte. Sonja starrt durchs Fenster auf die fliehende Landschaft.
Die Bahn hält, Menschen drängen sich herein, müde Welten, griesgrämige Gesichter. Zweygarths Augen springen hin und her, auf vager Suche nach einer anderen, schöneren Welt. „Eigentlich“, denkt er, „könnten wir glücklich sein“, und schüttelt den Kopf. Plötzlich wendet sich Sonjas Gesicht ihm zu, aus dem kurz und bündig ihre Zunge schnellt, bevor sie sich wieder abwendet. Verärgert zwar, bleibt Zweygarth ruhig und lässt seine Zunge im Mund.
„Waren wir damals glücklich“, fragt er sich, „vor fünf Jahren?“ Langsam zieht er die linke Schulter hoch und schneidet eine dumme Fratze.
„So ein Blödsinn“, skandiert irgendwo im Waggon einer. „Hartz wie viel auch immer, steigende Preise“, labert die Stimme weiter. „Massenverblödung von oben“, quiekt eine Frau auf, „jawohl!“
Zweygarth lächelt hämisch vor sich hin, Sonjas Kopf ruckt, ihre Augenbrauen springen hoch, zugleich schießt erneut ihre Zunge Zweygarth zu, dessen Lächeln auf den Lippen erstarrt.
„Immerhin fünf Jahre durchgehalten“, resümieren Zweygarths Gedanken. „Darüber könnten wir glücklich sein.“
„Ha“, manifestiert eine Frauenstimme, „wir haben Hitler geschafft, das Wirtschaftswunder – die Wiedervereinigung schaffen wir auch noch!“ Gemurmel schwillt an. Zweygarths Gedanken springen über in die Abteilung des Amtes, in der er seit vielen Jahren werkelt. „Blöde Beamte, blöder Trott“, denkt er, „aber wäre ich nicht dort, wäre ich wohl gehartzt. Also bin ich übers Unglück glücklich. Könnte schlimmer sein. Lieber aus einem Blechnapf essen als vom Boden fressen!“
„Wir können alles außer glücklich sein“, trompetet eine jugendliche Stimme hinter ihm. Gelächter kommt auf. Zweygarth beugt sich Sonja mit aufgesetztem Lächelgesicht zu, räuspert sich, raunt ihr dann dunkel zu: „Eigentlich könnten wir glücklich sein…“ ■
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